1913-2013 - 100 Jahre Michel Eberhardt
Der Heimat und ihren Menschen verbunden
Michel Eberhardt wurde vor 100 Jahren in Zoltingen geboren
Bissingen (Helmut Herreiner).
Ihm war etwas gegeben, was nur wenigen Menschen in diesem Maße möglich ist:
Michel Eberhardt konnte die Menschen nicht nur genau beobachten, sondern er vermochte seine Beobachtungen auch in Gedichten und Erzähltexten wiederzugeben, die in ihrer Gedankentiefe und Vielschichtigkeit ihresgleichen suchen.
„Mit unsern Jahren spielt der Wind.“ Dies schrieb der Heimatdichter Michel Eberhardt
(1913 – 1976) zu seinem 50. Geburtstag.
Am 28. Juni 2013 wäre er 100 Jahre alt geworden.
Am 28. Juni 1913, genau vor 100 Jahren, wurde der unvergessene Heimatdichter in dem kleinen nordschwäbischen Dorf Zoltingen, heute ein Ortsteil der Marktgemeinde Bissingen, geboren.
Hunderte von Gedichten und Erzählungen, eine große Anzahl von Beiträgen für Zeitungen und Kalender, Hörspiele und nicht zuletzt 300 ausführliche Rundfunkbeiträge für den Süddeutschen und den Bayerischen Rundfunk zeugen von der literarischen Schaffenskraft eines Mannes, der in seinem bäuerlichen Kulturkreis
tief verwurzelt war.
Die Liebe zu seiner Heimat ebenso wie zur Literatur bekam Michel Eberhardt in die Wiege gelegt.
Schon der Vater schuf sich, völlig untypisch für einen Bauern, der ein kleines Söldneranwesen sein Eigen nannte, eine häusliche Bibliothek mit 500 anspruchsvollen Werken der Weltliteratur.
Noch unsicher, ob das, was er zu sagen hat, auch lesenswert ist, wagte der junge Dichter neben der bäuerlichen Arbeit, die für ihn Alltag war, die ersten literarischen Schritte.
Noch im Kindesalter, zu einer Zeit, als er noch täglich – oft barfuß – in die Dorfschule nach Unterringingen ging, entstanden ab 1925 die ersten Werke. Fast zehn Jahre später erschienen Veröffentlichungen in der Ostschwäbischen Zeitung und der Rieser Nationalzeitung sowie als erstes kleines Buch das Bändchen
„Bei os d´rhoemt“ im Eigenverlag.
Ein zweites Büchlein kam bald darauf im Georg Wagner Verlag heraus.
Heimatliebe bedeutete für Michel Eberhardt in den Jahren des Dritten Reiches nicht die unreflektierte Übernahme der „Blut-und-Boden“-Ideologie der Nazis mit ihrer großen Symbolik, sondern die Verwurzelung dort, wo man als Mensch hingehört.
Vor dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte der Georg Wagner Verlag (Nördlingen) den Gedichtband „Einsamer Ackergang“.
Zwar blieb der junge, auch politisch interessierte Mann Ende der Dreißiger Jahre von der wachsenden Begeisterung für die nationale Sache nicht gänzlich unbeeindruckt, doch er ahnte bereits, was sein Land und damit auch ihn selbst erwarten würde. „Leb wohl, du gute alte Zeit“, heißt es in seinem letzten Gedicht vor Kriegsausbruch.
Als Soldat in Frankreich, Polen, Russland und Italien eingesetzt und mehrfach verwundet, führte er ein Kriegstagebuch bis zur Schlacht um Monte Cassino, die er miterleben musste und die er als „Untergang des Abendlandes“ beschrieb.
Nach der Heimkehr aus französischer Kriegsgefangenschaft im Jahre 1948 kehrte er geistig gereift zurück in das heimatliche Kesseltal. Er heiratete zwei Jahre später Lina Weingärtner aus dem Nachbardorf Leiheim.
Das Ehepaar mit ihren drei Kindern bewirtschaftete zunächst den vom Vater ererbten Hof mit dem uralten Strohdachhaus, einem der letzten in Schwaben.
Später erwarb Michel Eberhardt ein etwas größeres Anwesen, ebenfalls in Zoltingen, in dem Sohn Reinhard mit seiner Familie heute lebt. Die verschmitzte, leicht ironische Seite des Dichters zeigte sich in den Beiträgen des „Schnoka-Karle“, die er viele Jahre lang in den Rieser Nachrichten veröffentlichte.
1957 wurde das von ihm verfasste Theaterstück „Friedrich von Hürnheim“ in der Alten Bastei in Nördlingen aufgeführt. Neben den erwähnten Rundfunksendungen schrieb der Dichter auch unermüdlich für Zeitungen, Heimatbücher und Jahreskalender.
„Der Heimatfreund“ hieß damals auch eine Beilage zur Donau-Zeitung, in der sich Michel Eberhardt immer wieder der Mundart, den Traditionen, den kulturellen Überlieferungen, aber auch den archäologischen Hinterlassenschaften der Region zwischen Ries und Donau widmete und hier eine interessierte Lererschaft fand.
Der Konrad Theiss Verlag (Aalen) und vor allem der Steinmeier-Verlag (Nördlingen) brachten immer wieder Bücher von Michel Eberhardt heraus, zuletzt 2006 den Kriegsroman „Das andere Ufer“ und nun zum
100. Geburtstag ein „Michel-Eberhardt-Lesebuch“. Dieses wurde kürzlich im Rahmen eines großen Festaktes der Stadt Nördlingen und des Steinmeier-Verlages im Ochsenzwinger in Nördlingen vor mehr als 300 Gästen der Öffentlichkeit präsentiert.
Nach dem Tode des Heimatdichters im frühen Alter von 63 Jahren am 28. Oktober 1976 zeigt sich damit,
dass er und seine Werke nach wie vor unvergessen sind. Was hätte der kulturell, kirchlich und politisch stark in das Dorfleben eingebundene Bauer und Schriftsteller, der die gesellschaftlichen Veränderungen und den Strukturwandel in der Landwirtschaft in den Nachkriegsjahren mit wachem Geist verfolgte, angesichts der technologischen Revolution und den Folgen der Globalisierung unserer Zeit heute zu sagen? Wer in den Gedichten, Geschichten und Erzählungen Michel Eberhardts stöbert, die nicht zufällig meist in seiner heimatlichen Mundart geschrieben sind, wird eine Menge zeitlos gültiger Antworten finden.
In diesem Anwesen in Zoltingen wuchs Michel Eberhardt auf.
Es galt als letztes Strohdachhaus im Landkreis Dillingen und Michel Eberhardt an seiner Schreibmaschine.
Repros: Helmut Herreiner